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Maschinen und auch KI sind letztendlich nur Werkzeuge

Prof. Dr.-Ing Gerold Bausch (HTWK Leipzig) im ZdA-Expert*inneninterview zum Thema Künstliche Intelligenz und der Rolle menschlicher Arbeit.

Wie können Unternehmen und Beschäftigte mit der aktuellen Pandemie-Krise umgehen und welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung? Hierzu nehmen Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis in aktuellen Interviews mit dem Zentrum digitale Arbeit Stellung.

Im siebten Teil unserer Interviewreihe befragen wir Prof. Dr.-Ing. Gerold Bausch, Inhaber der Professur "Eingebettete Systeme und Signalverarbeitung" an der HTWK Leipzig, welche Perspektive er auf Künstliche Intelligenz hat, wie Unternehmen langfristig Schritt halten und ob die menschliche Arbeitskraft mit dem Einzug und dem Einsatz von avancierten Technologien ausgedient hat. 

 

Die Corona-Pandemie stellte und stellt die deutsche Wirtschaft und damit insbesondere KMU vor neue Herausforderungen – auch und gerade im Kontext der Digitalisierung. So schreitet etwa die Vernetzung von Maschinen, Anlagen und Werkzeugen unweigerlich trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Pandemie voran. Wie können aus Ihrer Sicht Unternehmen mit dieser Dynamik und den sich verändernden Rahmenbedingungen bestmöglich umgehen?

Prof. Bausch: Die digitale Transformation hat erst einmal nichts mit Corona zu tun, außer dass ziemlich viele von uns seit 2020 festgestellt haben, dass man mehr hätte machen können. Aber sei es drum: vielleicht war das der notwendige Weckruf.

Die größte Herausforderung besteht nun darin, Defizite möglichst schnell zu korrigieren. Allerdings entwickeln sich Technologien rasend schnell und aktuell haben viele Technologien einen hohen Reifegrad erzielt und werden bald in Form neuer Geräte und Dienstleistungen im Alltag ankommen. Wenn man sich dann erst mit einer neuen Technologie beschäftigt, ist es fast schon zu spät. Viel nervenschonender ist es, sich frühzeitig mit neuen technologischen Entwicklungen zu beschäftigen und zu überlegen, wie diese das aktuelle Geschäftsmodell gefährden könnten. Das benötigt selbstverständlich viel Zeit und verlangt häufig nach Ressourcen, die in kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht immer verfügbar sind.

Sie sprechen damit den Aspekt eines längerfristigen, strategischen IT-Managements an. Inwiefern kommen dahingehend auch Big Data Analytics-Verfahren für KMU in Frage und was bildet die Grundlage für eine erfolgreiche Realisation?

Prof. Bausch: Themen wie Datenanalyse können unabhängig von der Unternehmensgröße für sehr viele Branchen und auch Bereiche innerhalb des Unternehmens interessant sein. Daten und deren Analyse ersetzen zunehmend sämtliche Bereiche, für die man früher Erfahrungswissen benötigt hat. Allerdings baut Erfahrungswissen auf einer langjährigen und intensiven Beschäftigung mit einer Thematik auf. Mit Hilfe von Software lassen sich Muster, die hinter dem Erfahrungswissen stecken, heute deutlich schneller und objektiver erkennen und für viele Anwendungen einsetzen.

Meine Empfehlung: Tauschen Sie sich mit Partnern in Netzwerken aus oder nehmen Sie Kontakt zu Wissenschaftlern an Hochschulen auf. Auch die IHK vermittelt gern Kontakte. Lernen Sie anhand von kleineren Projekten und Machbarkeitsanalysen, wie sich neue Technologien im Unternehmen einsetzen lassen. Und lassen Sie sich dabei von Werkstudenten unterstützen oder in Form von Abschlussarbeiten. Auch wenn am Ende keine fertige Lösung entsteht, gibt es häufig einen enormen Erkenntnisgewinn, der als Grundlage für weitere Entwicklungsschritte dient.

Wenn wir von digitaler Wertschöpfung sprechen, müssen wir nicht zuletzt die Potenziale Künstlicher Intelligenz (KI) in den Blick nehmen. Avancierte Technologien führen auch heute schon zu einem Wandel konkreter Tätigkeitsfelder – sei es nun im Personalwesen oder in der Produktion. Nicht selten gehen mit dem Einsatz neuer Technologien auch Ängste und teilweise widerständige Praktiken einher. Welchen Blick haben Sie auf KI und dessen Einfluss auf Arbeit und Beschäftigung – oder: Wie (un)ersetzbar ist menschliche Arbeitskraft?

Prof. Bausch: Weil ich schon wieder zum Thema „Ängste“ und „Widerstände“ befragt werde, möchte ich zuerst einmal sagen, dass Künstliche Intelligenz gar nicht so intelligent ist, wie viele vielleicht vermuten. Es handelt sich dabei um eine neue Art, Computerprogramme zu entwickeln, die Aufgaben für uns erledigen können, die sich mit klassischer Programmierung bisher nicht umsetzen ließen. Und ja, mit KI lassen sich bereits erstaunliche Ergebnisse erzielen, wenn es darum geht, dass eine Maschine Objekte oder Sprache erkennt oder einen Großmeister im Schach oder anderen strategischen Spielen besiegt. Wenn es um die Addition oder Multiplikation von langen Zahlenreihen geht oder um die Berechnung von Wahrscheinlichkeiten, sollten wir uns nicht mit einer Maschine messen. Auch ein Hammer kann einen Nagel besser in die Wand schlagen als eine bloße Hand und trotzdem wird die Hand dafür benötigt. Haben wir deshalb Angst, dass ein Hammer uns den Job wegnimmt?

Ich denke, es ist eher unwahrscheinlich, dass uns Maschinen ersetzen. Ich halte es für deutlich wahrscheinlicher, dass die Kombination aus künstlicher und menschlicher Intelligenz reinen technischen Systemen überlegen sein wird.

Maschinen und auch die KI sind letztendlich nur Werkzeuge, die wir Menschen entwickeln, um bessere Ergebnisse zu erzielen oder effizienter zu arbeiten. Genauso wie wir Excel, Word oder andere Computerprogramme zur Erledigung der täglichen Aufgaben nutzen, werden überall neue Computerprogramme mit KI-Komponenten hinzukommen und uns helfen, die besseren Entscheidungen zu treffen.

Was folgt daraus für die Unternehmen und Beschäftigten? Wie kann die Belegschaft auf diesem Weg bestmöglich eingebunden und für die künftigen Herausforderungen qualifiziert werden?

Prof. Bausch: Hier lautet mein Tipp: Probieren Sie neue Programme oder Technologien selbst aus. Seien Sie offen für Neues und lernen Sie dazu. Und vor allem: Bilden Sie sich selbst ein Urteil, wie gut oder wie schlecht eine neue Technologie ist und wie sie Sie im Arbeitsalltag unterstützen kann.

Selbstverständlich wird es auch immer wieder dazu kommen, dass Tätigkeiten der Automatisierung zum Opfer fallen. Das war bei vielen Berufen in der Vergangenheit so und das wird auch in Zukunft so bleiben. Wer aber Neuem gegenüber aufgeschlossen bleibt, sich weiterentwickelt und beim Einsatz oder gar der Verbesserung neuer Technologien mit seinem Know-how zur Verfügung steht, hat in der Regel die besseren Karten als diejenigen, die sich neuen Technologien verweigern.