Nachlese: Werkstattgespräch des Zentrums digitale Arbeit

Beteiligung im digitalen Wandel: Strategien für Weiterbildung und Gleichstellung in der digitalisierten Arbeitswelt

Am 6. April 2022 trafen sich Berater*innen der fünf ostdeutschen ESF-geförderten „Regionalen Zukunftszentren“ mit Vertreter*innen der Projekte aus der ESF-Sozialpartnerrichtlinie „Fachkräfte sichern“ virtuell zum 2. Werkstattgespräch des Zentrums digitale Arbeit. Gäste aus dem Bundesprogramm „Zukunftszentren (KI)“ waren ebenfalls vertreten. Insgesamt 25 Teilnehmende informierten sich über die Entwicklungen in der ESF-Sozialpartnerrichtlinie und konkret über Erkenntnisse und Erfahrungen von drei ausgewählten Projekten mit den Schwerpunkten „Weiterbildung & Kompetenzentwicklung“ und „Chancengleichheit & Vereinbarkeit“. Auch dieses Werkstattgespräch bot wieder Raum für wechselseitigen Erfahrungsaustausch und Vernetzung.

Als neuer Projektleiter des Zentrums digitale Arbeit (ZdA), begrüßte Dr. Felix Erler die Teilnehmenden. Dr. Erler übernahm zum 01.04.2022 die ZdA-Projektleitung von Dr. Petra Gärtner.

Anschließend informierte die Regiestelle „Fachkräfte sichern“ über Erfahrungen und aktuelle Entwicklungen zur ESF-Sozialpartnerrichtlinie. So wurde über Ergebnisse und Erkenntnisse der im September 2022 auslaufenden Initiative „Fachkräfte sichern: weiter bilden und Gleichstellung fördern“ berichtet. Zudem wurde ein Ausblick auf die Zukunft des ESF-Folge-Programms „Wandel der Arbeit sozialpartnerschaftlich gestalten: weiter bilden und Gleichstellung fördern“ gegeben, welches fachlich durch die Regiestelle "Wandel der Arbeit" begleitet wird. Es geht also weiter! Auch, wenn die neue Richtlinie noch nicht veröffentlicht wurde, steht das übergeordnete Ziel fest: Die Stärkung einer sozialpartnerschaftlichen Gestaltung der Arbeitswelt, um nachhaltige, gleichstellungsorientierte Personalpolitik und Unternehmenskultur zu fördern.

Bereits hier ergaben sich Ansatzpunkte für einen Austausch: Die Teilnehmenden interessierten sich insbesondere für die Zusammensetzung der angestrebten sozialpartnerschaftlichen Strukturen in den neuen Projekten. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sowie Betriebs- und Personalräte stellen dabei wichtige Akteure dar. Essenziell ist auch die Beteiligung von Vertreter*innen der Geschäftsleitung sowie der Mitarbeitenden, um auch die Interessen und Bedarfe von Klein- und Kleinst-Unternehmen sowie deren betriebliche Voraussetzungen zu berücksichtigen.

Anschließend wurden die Projekte „Führung und Vereinbarkeit 4.0 in der Pflege“, „Frauen im Handwerk: Fit für Führung und Digitalisierung“ sowie das Transferprojekt „Arbeit und Innovation: Kompetenzen stärken – Zukunft gestalten“ von den jeweiligen Projektvertreter*innen präsentiert.

Ruzica Drescher vom Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft (bbw) gGmbH eröffnete die Präsentationsrunde und informierte über ihr Projekt „FUN - Führung und Vereinbarkeit 4.0 in der Pflege“, welches in der stationären Pflege in Oberbayern und München angesiedelt ist. Das Projektziel bestand darin, Führungskräfte zu stärken und die Gleichstellung voranzutreiben. Gerade die Pflegebranche hatte pandemiebedingt mit erheblichen Auswirkungen zu kämpfen.

Neben den zusätzlichen Aufgaben, die auf medizinische Einrichtungen zukamen, mussten auch die Angebote im Projekt digitalisiert werden. Viele Einrichtungen waren jedoch noch nicht auf dem technischen Stand, um die Projektangebote entsprechend nutzen zu können. Im Laufe des Projektes konnten die Teilnehmenden die angebotenen digitalen Learnings sehr gut in ihren Arbeitsalltag integrieren. Eine verlässliche Dienstplangestaltung mit einkalkulierten Freiräumen bildete dabei eine Voraussetzung für eine hohe Weiterbildungsbeteiligung.

Trotz der schwierigen Voraussetzungen konnte das Projekt wirksam umgesetzt werden. Insbesondere das effiziente Generationenmanagement sowie der generationsübergreifende Wissenstransfer bildeten dabei wichtige Erfolgsfaktoren. Zudem wurde der direkte Bezug von Weiterbildung auf die Nachwuchsförderung sowie die Mitarbeiterbindung hervorgehoben. Wenn diese Segmente im Unternehmen bewusst sind und somit zum Teil der Unternehmenskultur werden, dann wird auch der Aspekt „Gleichstellung“ zu einer Selbstverständlichkeit.

Nähere Informationen zum Projekt finden Sie hier, weitere Projektergebnisse sollen ab 30.06.2022 auf der Projektwebsite veröffentlicht werden.

Das zweite Projekt „FIT: Frauen in Handwerksbetrieben - FIT für Führung & Digitalisierung“ stellte Vera Lieder vom ITF Institut Kassel e.V. vor. Die Zielgruppe bilden, wie bereits im Projekttitel erwähnt, Frauen im Handwerk, wobei insbesondere Familienbetriebe angesprochen werden. Ziel ist es, unbewusste Abläufe im Betrieb aufzudecken, um einerseits für Muster einer geschlechterspezifischen Segregation und andererseits für die sogenannte „gläserne Decke“ zu sensibilisieren. Das beginnt oft schon bei der Sprache, z.B. die „Frau vom Chef“ möglichst mit „Chefin“ anzureden. Das gibt den Aufgaben und der Verantwortung dieser Frauen mehr Gewicht und wird ihrer Position gerechter. Des Weiteren wurden Veränderungsprozesse im Betrieb angestoßen, um die Führungsrolle der Frauen stärker wahrzunehmen und die „gläserne Decke“ Stück für Stück aufzubrechen.

Auch in diesem Projekt gab es erhebliche Anpassungserfordernisse, um eine wirksame Umsetzung während der Pandemie sicherzustellen. Dazu war es beispielsweise notwendig, die Projektplanung völlig umzustellen und die eigentlich für den späteren Projektverlauf vorgesehenen virtuellen Meetings an den Projektanfang zu schieben. Dies musste auch mit der Kompetenzvermittlung zum Umgang mit den entsprechenden Tools gekoppelt werden. Die gewonnenen Erfahrungen waren jedoch positiv. Die Projektmitarbeitenden konnten mit den Teilnehmenden deutlich mehr in die Tiefe gehen, da sich die üblicherweise, notwendige Überzeugungsarbeit für die Digitalisierung erübrigte.

Die Ergebnisse des Projektes werden in Broschüren und Handlungsleitfaden der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Zum Abschluss stellte Marco Grenz von der IG Metall das Transferprojekt „Arbeit und Innovation: Kompetenzen stärken – Zukunft gestalten“ vor, welches den Anschluss an vorangegangene sowie noch aktive „A+I-Projekte“ in 14 Pilotregionen herstellt - vom kleinen Unternehmen bis zum Stahlwerk. Anliegen von „transfA+Ir“  ist es, die zentralen Erkenntnisse bisheriger Projektaktivitäten aufzubereiten und weiterzuentwickeln. Zielgruppen bilden Betriebsräte, Vertrauensleute, Arbeitgeber*innen sowie Gewerkschaftsvertreter*innen.  

Für ein sozialpartnerschaftliches Prozessverständnis wurde im Projekt der „Transformationsatlas 2.0“ entwickelt. Dieser besteht aus fünf Fragebogenmodulen zu den Themen „Digitalisierung“, „Klimawandel“, „Globalisierung“, sowie den Querschnittsthemen „Beschäftigungssicherung“ und „Qualifizierung“.

Bedingt durch Pandemie mussten auch in diesem Projekt zahlreiche Änderungen vorgenommen werden, denn die meisten erarbeiteten Tools aus dem Vorgängerprojekt waren auf eine Präsenzdurchführung ausgelegt. Die Verlegung der Aktivitäten in den digitalen Raum war unabdingbar. Zudem brachte die Beteiligungsorientierung im digitalen Raum große Herausforderungen mit sich und nicht alle Branchen konnten dies umsetzen.

Insgesamt waren die Erfahrungen bei der Realisierung positiv, u.a.  konnten sich die Projektmitarbeitenden nun intensiver der Betreuung der Unternehmen widmen und auch kurzfristige Abstimmungen in Videokonferenzen wurden akzeptiert. Hier zeigte sich, dass die Unternehmen auch auf neue und unvorhergesehene Situationen und Herausforderungen vorbereitet sein sowie proaktiv Strategien und Notfallpläne ausarbeiten sollten. Gleiches gilt für das sozialpartnerschaftliche Arbeiten der Akteure und den Transfer.

Die Ergebnisse des Transferprojektes werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Aktuell befinden sich einige Unternehmen jedoch noch in der Praxisphase.

Im anschließenden Austausch zeigte sich, dass die Teilnehmenden unterschiedliche Erfahrungen mit dem Angebot von Onlineveranstaltungen gesammelt hatten. Mehrheitlich ließ sich feststellen, dass dreistündige Onlineformate meist die Obergrenze für eine gelungene Umsetzbarkeit darstellen. Vereinzelt werden jedoch auch Ganztagsangebote positiv aufgenommen. Ein wichtiger Hinweis dazu: Immer wieder Pausen anbieten und mit „Munterrichtsmethoden“ kombinieren.

Abschließend wurde noch ein wichtiger Impuls zum Thema „Weiterbildung und Gleichstellung“ vermittelt: Insbesondere in den prekären Branchen und Berufen (Niedriglohnsektor, 450,- €-Jobs, Halbtagstätigkeiten) werden Weiterbildungsmaßnahmen als unabdingbar eingeschätzt. Jedoch sind diese Arbeitsverhältnisse nur schwierig mit Selbstlernphasen zu vereinbaren, da in der Freizeit die Fürsorgearbeit für die Familie Vorrang hat.

Dr. Felix Erler schloss die Veranstaltung mit folgendem Fazit:

Betriebliche Prozesse ganzheitlich denken ist und bleibt notwendig. Im Hinblick auf Weiterbildung bedeutet dies, auch zu wissen, wofür Mitarbeitende qualifiziert werden wollen und sollen. Unabhängig von Corona wird Führung aus der Distanz, mobiles Arbeiten und die Kommunikation über räumliche Entfernungen hinweg weiterhin eine große Rolle spielen. Gerade das Aufweichen von räumlicher Präsenz hat Einfluss auf Weiterbildung. Selbstlerntools und Blended Learning sind besonders wichtige Instrumente. Auch das Handwerk, dessen Arbeit naturgemäß von Präsenz lebt, wird hier mitziehen, wenn der Nutzen klar erkennbar ist. 

Gleichstellung ist auch im Jahr 2022 immer noch ein unvollendetes Thema. Deshalb soll der Austausch zwischen dem Zentrum digitaler Arbeit und der Regiestelle „Fachkräfte sichern“ weiter intensiviert werden.