Agiles Projektmanagement

Überblick und Auswirkungen

von Sarah Rietze, Dr. Michael Knoll und Tom Herzberg

Grundidee

Agile Ansätze sollen Teams und Organisationen helfen, bei der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen flexibel und schnell auf dynamische Herausforderungen von Märkten und Kunden reagieren zu können. Diese Agilität wird erreicht durch Strukturen und Praktiken, die charakterisiert sind durch transparente und regelmäßige Kommunikation und Kollaboration sowie schlanke Informations-, und Entscheidungsprozesse (Cockburn & Highsmith, 2001; Conboy, 2009). Tabelle 1 zeigt wesentliche Unterschiede (z.B. in der Herangehensweise an Planung und Entwicklungsschritte, der Teamorganisation, der Einbindung des Kunden) zwischen agilem Projektmanagement und dem klassischen Projektmanagement-Ansatz (sog. Wasserfall-Modell).

Tabelle 1: Gegenüberstellung von klassischem Wasserfall- und agilem Projektmanagement

Wasserfall / klassisches Projektmanagement Agiles Projektmanagement
Homogene Teams / "Abteilungssilos"Heterogene Teams / Crossfunktional
Direktiver Führungsstil (basierend auf Vorgabe und Kontrolle)Selbstorganisation des Teams, Führung schafft unterstützendes Umfeld
Streng definierte Touchpoints mit dem KundenKontinuierliche Einbindung der Kunden in den Entwicklungsprozess
Alle Annahmen werden zu Beginn spezifiziert und beibehaltenAnnahmen werden kontinuierlich getestet und angepasst
Testen erfolgt nach FertigstellungIteratives Testen und Anpassen / Arbeit in Feedbackschleifen
Ergebnis/ Lösung wird erst zu Projektende sichtbarSchnelle Teilergebnisse/-lösungen im Prozess
Hohes RisikoNiedriges Risiko

 

Eine Kombination aus Werten, Ansätzen und Praktiken

Agiles Arbeiten steht für eine Kombination aus Projektmanagement-Ansätzen und Praktiken, die auf einem gemeinsamen Wertesystem basieren. Als gefestigter Kern der agilen Projektarbeit gilt das sogenannte Agile Manifest (siehe Abbildung 1), auf welches sich eine Gruppe von Softwarenentwicklern 2001 in Utah einigte (Beck et al., 2001).

Ein wichtiger Projektmanagement-Ansatz der agilen Arbeit ist das iterative und inkrementelle Vorgehen. Das heißt, die Projektplanung und -umsetzung erfolgen schrittweise (iterativ) mit dem Ziel der Fertigstellung eines Teilproduktes in jeder Iteration (inkrementell). Typischerweise sind solche Planungs- und Entwicklungsiterationen 2 bis 4 Wochen lang. Ein weiterer wichtiger Ansatz besteht darin, dass Kunden nicht mehr nur als bloße Empfänger des Endprodukts gesehen werden, sondern sie werden aktiv in den Entwicklungsprozess einbezogen.

Die am häufigsten verwendeten Praktiken bzw. Techniken des agilen Arbeitens sind in Tabelle 2 dargestellt.

Tabelle 2: Am häufigsten verwendete agile Arbeitspraktiken

Agile PraktikenDefinition
Selbstorganisierte TeamarbeitDas Team koordiniert autonom die eigene Arbeit und regelt die eigenen Rahmenbedingungen. Die Teammitglieder teilen sich die Führungs- und Entscheidungsverantwortung (Stettina & Heijstek, 2011).
Iterative PlanungDas Team arbeitet in kurzen wiederkehrenden Iterationen oder Arbeitszyklen. Zu Beginn jeder Iteration einigen sich die Teammitglieder und die Business Owner darauf, was in der kommenden Iteration geliefert werden soll, und die Teammitglieder schätzen und planen die jeweilige Arbeit (Tuomivaara et al., 2017).
Inkrementelles VorgehenDer Entwicklungsprozess wird inkrementell geplant und vorangetrieben. Am Ende jeder Iteration kann ein kleines Stück eines Produkts an den externen oder internen Kunden ausgeliefert werden. Dieses Vorgehen ermöglicht, sofortiges Feedback zu erhalten (Tripp et al., 2016; Tuomivaara et al., 2017).
Enge KundenbeziehungDer Entwicklungsprozess richtet sich nach den Bedürfnissen und Wünschen des Kunden durch die direkte Einbindung sowie ein regelmäßiges Feedback des Kunden (Tuomivaara et al., 2017).
Daily Stand-up MeetingsAlle Teammitglieder treffen sich zu einer kurzen täglichen Abstimmungsmeeting. Bei dem Treffen geht es darum, die folgenden drei Fragen zu stellen und zu beantworten: Was habe ich gestern erreicht? Was werde ich heute tun? Welche Hindernisse behindern meinen Fortschritt? (Tripp et al., 2016)
Retrospektive MeetingsAm Ende jeder Iteration findet ein Retrospektive-Meeting statt, in dem das Team die letzte Iteration und die Zusammenarbeit kritisch reflektiert und Möglichkeiten zur kontinuierlichen Verbesserung identifiziert (Tripp et al., 2016).
Visualisierung des ArbeitsfortschrittsDas Team arbeitet mit visuellen Darstellungen, die Informationen über den Arbeitsfortschritt liefern, z. B. ein Aufgabenboard oder ein Diagramm, das abgeschlossene und noch zu erledigende Arbeiten zeigt (z.B. Burndown-Charts) (Tripp et al., 2016).

 

Wirkungsweise

Ursprünglich aus der Softwareentwicklung stammend, wird Agiles Projektmanagement mittlerweile in einer Vielzahl von Bereichen genutzt, wie z.B. in Operations, Human Resources, Marketing oder Sales, derzeit v.a. in größeren Unternehmen (Digital.ai, 2020, Conforto et al., 2014).

Von der Vielzahl der eingesetzten Techniken sind Scrum und Hybridformen von Scrum (z.B. mit Extreme Programming) die am häufigsten verwendeten.

Arbeitsprozesse und -ergebnisse der agile Methoden nutzenden Teams werden auf zwei Wegen beeinflusst: Zum einen erhöhen agile Methoden die Teameffektivität, Produktivität und Produktqualität. Zum anderen wirkt sich agiles Arbeiten positiv auf die Motivation und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter/innen aus (Dybå & Dingsøyr, 2008; Tripp et al., 2016). Der jährliche „State of AgileTM Report“ (Digital.ai, 2020), welcher auf einer internationalen Stichprobe von mehr als 40 000 Personen beruht, die sich im agilen Kontext bewegen, führt die auf Abbildung 2 genannten Vorteile agiler Projektarbeit an.

Beck et al. (2001). Manifest der agilen Software Entwicklung. Retrieved from agilemanifesto.org

Cockburn, A., & Highsmith, J. (2001). Agile software development, the people factor. Computer, 34(11), 131–133.

Conboy, K. (2009). Agility from first principles: Reconstructing the concept of agility in information systems development. Information Systems Research, 20(3), 329–354.

Conforto, E. C., Salum, F., Amaral, D. C., da Silva, S. L., & Almeida, L. F. M. de (2014). Can agile project management be adopted by industries other than software development? Project Management Journal, 45(3), 21–34.

Digital.ai (2020). 14th Annual State of AgileTM Report. Retrieved from www.stateofagile.com

Rousseau, V., & Aubé, C. (2010). Team self-managing behaviors and team effectiveness: The moderating effect of task routineness. Group & Organization Management, 35(6), 751–781.

Serrador, P., & Pinto, J. K. (2015). Does agile work? - A quantitative analysis of agile project success. International Journal of Project Management, 33(5), 1040–1051.

Stettina, C., & Heijstek, W. (2011). Five agile factors: Helping self-management to self-reflect. Communications in Computer and Information Science, 172, 84-96.

Tripp, J. F., Riemenschneider, C. K., & Thatcher, J. (2016). Job satisfaction in agile development teams: Agile development as work redesign. Journal of the Association for Information Systems, 17(4), 267–307.

Tuomivaara, S., Lindholm, H., & Känsälä, M. (2017). Short-term physiological strain and recovery among employees working with agile and lean methods in software and embedded ICT systems. International Journal of Human–Computer Interaction, 33(11), 857–867.

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Sarah Rietze
M.Sc. Psychologin & Coach
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