Die Beschäftigungsentwicklung in den ostdeutschen Bundesländern

Beschäftigungsstand, Beschäftigtenstruktur und Beschäftigungsquote

von Tim André

Die positive wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland hat zu einem nicht gekannten Aufschwung der Beschäftigtenzahlen geführt, der erst durch die Corona-Pandemie gestoppt wurde. Auch in den ostdeutschen Ländern fand in den vergangenen Jahren ein anhaltender Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung statt. Inzwischen sind in den neuen Bundesländern beinahe so viele Menschen in Arbeit wie unmittelbar nach der Wiedervereinigung, bei gleichzeitig stark gesunkenen Bevölkerungszahlen.

Die positiven Effekte der wirtschaftlichen Entwicklung waren in allen Regionen und über alle Bevölkerungsgruppen hinweg zu spüren. Besonders dynamisch entwickelten sich jedoch vor allem urbane Landkreise und kreisfreie Städte, die auch ein hohes Bevölkerungswachstum verzeichneten. Profitiert haben darüber hinaus auch die Gruppe der älteren Beschäftigten über 55 Jahre sowie Beschäftigte mit ausländischer Staatsbürgerschaft, deren Beschäftigtenzahlen überdurchschnittlich gewachsen sind.

Die Folge sind Rekord-Beschäftigtenquoten. Die ostdeutschen Flächenländer belegen obere Plätze im bundesdeutschen Vergleich der Quote der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Verhältnis zur Bevölkerung. Ursächlich hierfür ist vor allem das verhältnismäßig hohe Beschäftigungsniveau von Frauen – die ersten fünf Plätze im Ranking entfallen vollständig auf die ostdeutschen Bundesländer. Die Beschäftigungsquoten von Männern und Frauen unterscheiden sich in den neuen Ländern im Gegensatz zu den alten Ländern nur wenig.

Auch die ostdeutschen Bundesländer haben in den vergangenen Jahren vom wirtschaftlichen Aufschwung profitiert. Durch die weltweite Corona-Pandemie konnte die positive Entwicklung jedoch zuletzt nicht fortgesetzt werden.

Einleitung

Noch zu Anfang der 2000er-Jahre galt der deutsche Arbeitsmarkt als „Kranker Mann Europas“ (Sinn, 2003). In der Folge erlebte die Bundesrepublik jedoch einen in seinen Ausmaßen unerwarteten und langanhaltenden Wirtschafts- und Beschäftigungsaufschwung. Auch die ostdeutschen Bundesländer profitierten von dieser positiven Entwicklung. In den vergangenen 15 Jahren eilte der Arbeitsmarkt von Rekord zu Rekord, bevor diese Entwicklung von der weltweiten Corona-Pandemie gestoppt wurde.

Zwar liegen die Beschäftigungszahlen nach dem jüngsten Wirtschafts- und Beschäftigungseinbruch unter ihren Höchstwerten des Jahres 2019. Die langfristigen Entwicklungen und strukturellen Eigenschaften des ostdeutschen Arbeitsmarktes wurden davon allerdings nicht beeinflusst.

Der vorliegende Beitrag untersucht die Entwicklung der Erwerbstätigkeit und Beschäftigung in den fünf ostdeutschen Bundesländern seit der Wiedervereinigung. Ein besonderer Fokus liegt auf den Strukturunterschieden des ostdeutschen Arbeitsmarktes sowohl in Hinblick auf die Alters- und Qualifikationsstruktur als auch im Hinblick auf die Beschäftigungsquote in den neuen Ländern.

Erwerbstätigkeit und Beschäftigung

Im Jahr 2020 betrug die Zahl der Erwerbstätigen in den neuen Bundesländern insgesamt 6,9 Mio. Personen. Im Vergleich zur Zeit unmittelbar nach der Wiedervereinigung bedeutete dies einen Rückgang um 860.000 Personen (– 13 %). Allein zwischen 1991 und 1993 verringerte sich die Zahl der Erwerbstätigen um knapp 1 Mio. Personen. Nach Zuwächsen in den Jahren 1994 und 1995 sank sie anschließend erneut und erreichte im Jahr 2005 ihren tiefsten Stand (5,7 Mio. Erwerbstätige bzw. – 17 % ggü. 1991). Seitdem gab es ein mehr oder weniger kontinuierliches Wachstum.

Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten verringerte sich seit der Wiedervereinigung. Zu Beginn des Beobachtungszeitraums waren in den fünf ostdeutschen Flächenländern insgesamt 5,3 Mio. Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im Jahr 2019 lag diese Zahl bei 4,6 Mio. Beschäftigten (– 694.000 Personen bzw. – 13 %). Den niedrigsten Stand erreichte die sv-pflichtige Beschäftigung ebenfalls im Jahr 2005, als nur noch knapp 4,0 Mio. Menschen sv-pflichtig beschäftigt waren. Im Vergleich zum Jahr 1992 bedeutete dies einen Rückgang um 25 % (– 1,3 Mio. Beschäftigte).

In Sachsen (92 %) und Brandenburg (91 %) lag das Beschäftigungsniveau zuletzt nur noch wenig unterhalb seines Ausgangswertes zu Anfang der 1990er-Jahre. Auch in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern (86 %) konnten die Verluste zu großen Teilen aufgeholt werden. In Sachsen-Anhalt (76 %) lag die Zahl der sv-pflichtig Beschäftigten jedoch noch deutlich unterhalb ihres Ausgangswertes.

Abbildung 1: Beschäftigungsentwicklung in Ostdeutschland (ohne Berlin) zwischen 1992 und 2020

Nach der Wiedervereinigung ging die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zunächst stark zurück. In den vergangenen 15 Jahren stieg die Zahl der Beschäftigten jedoch infolge des allgemeinen Wirtschaftsaufschwungs auf Rekordniveaus. 

Der männliche Teil der Beschäftigten war von den Rückgängen durchgehend stärker betroffen. Zwischen 1992 und 2005 ging die Zahl der männlichen Beschäftigten um 815.000 Personen zurück (– 29 %), die Zahl der weiblichen Beschäftigten sank im selben Zeitraum um 21 % (– 510.000 Personen). Besonders dramatisch war der Rückgang bei den männlichen Beschäftigten in Sachsen-Anhalt. Ihre Zahl sank bis Mitte der 2000er-Jahre um ein Drittel.  Im Vergleich zum Anfang der 1990er-Jahre hat sich der Anteil weiblicher Beschäftigter an allen Beschäftigten leicht erhöht. Er stieg von 47 % im Jahr 1992 auf 49 % im Jahr 2020.

Trotz der etwa paritätischen Verteilung der Beschäftigungsverhältnisse arbeiten Frauen auch im Jahr 2020 anders als Männer. Im Jahr 2020 gab es in Ostdeutschland 1,4 Mio. Personen in Teilzeit (31 % aller Beschäftigten). Von diesen waren etwa 1,1 Mio. Frauen – auch heute ist Teilzeit also noch immer ein „weibliches Phänomen“. Insgesamt sind 80 % aller Teilzeit-Beschäftigungsverhältnisse von Frauen besetzt und jede zweite Frau in Ostdeutschland arbeitet in Teilzeit. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Westen Deutschlands. Auch dort arbeitete zuletzt knapp die Hälfte aller Frauen in Teilzeit und ebenso waren vier von fünf Teilzeit-Beschäftigungsverhältnissen von Frauen besetzt.

Gleichzeit hat Teilzeit-Beschäftigung in den vergangenen zehn Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. In den fünf ostdeutschen Flächenländern wuchs die Zahl der Teilzeit-Beschäftigten zwischen 2010 und 2020 um 536.000 Personen (+ 61 %), gleichzeitig verringerte sich die Zahl der Vollzeit-Beschäftigten um 85.000 Personen (– 3 %). Diese Entwicklung war vor allem von Veränderungen bei den Beschäftigungsverhältnissen von Frauen geprägt: während die Zahl der Vollzeit-Beschäftigungsverhältnisse um 201.000 zurückging, stieg die Zahl der Teilzeit-Beschäftigungsverhältnisse um 387.000 an. Allerdings ging auch mehr als die Hälfte des Beschäftigungswachstums bei den Männern auf Teilzeit-Beschäftigungsverhältnisse zurück. Insgesamt stieg der Anteil der Teilzeit-Beschäftigungsverhältnisse an allen Beschäftigungsverhältnissen in den vergangenen zehn Jahren um etwa zehn Prozentpunkte an (2010: 21 %, 2020: 31%).

Der ostdeutsche Arbeitsmarkt ist geprägt von Beschäftigten mit abgeschlossener Berufsausbildung. Durch den demografischen Wandel ist der Anteil der jüngeren Beschäftigten niedriger als in den alten Bundesländern, gleichzeitig ist jener der älteren Beschäftigten höher.

Struktur des ostdeutschen Arbeitsmarktes: Alter, Qualifikation und Staatsangehörigkeit

Der Arbeitsmarkt in den ostdeutschen Bundesländern weist strukturell einige Unterschiede zu seinem Gegenstück in den alten Bundesländern auf.

Der demografische Wandel seit der Wiedervereinigung spiegelt sich in der Altersstruktur der Beschäftigten wider. Sie sind durchschnittlich älter als ihre Kolleg*innen in den alten Bundesländern. Besonders beim Blick auf die „Ränder“ der Altersverteilung wird dies deutlich: der Anteil Personen über 55 Jahre in den ostdeutschen Flächenländern ist höher, jener der Personen unter 25 Jahren ist geringer als in den westdeutschen Bundesländern. Im Jahr 2020 war ein Viertel aller Beschäftigten in den ostdeutschen Betrieben 55 Jahre oder älter. Diese Beschäftigten verlassen den Arbeitsmarkt somit in den nächsten zehn Jahren und müssen überwiegend durch neue Beschäftigte ersetzt werden. Viele Betriebe stellt dies vor enorme Herausforderung und einige werden nicht alle ausscheidenden Mitarbeiter*innen ersetzen können.

Dabei spielt vor allem eine weitere Besonderheit des ostdeutschen Arbeitsmarktes eine Rolle: die starke Prägung durch Facharbeiter*innen. In allen fünf ostdeutschen Bundesländern liegt der Anteil Beschäftigter mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Etwa drei Viertel aller Beschäftigten verfügen über einen anerkannten Berufsabschluss gegenüber zwei Dritteln in Westdeutschland. Sachsen-Anhalt und Thüringen belegen mit einem Anteil von jeweils 78 % an allen Beschäftigten den Spitzenplatz. Auch Mecklenburg-Vorpommern liegt mit 74 % noch zwei Prozentpunkte über Schleswig-Holstein, dem Bundesland mit dem höchsten Anteil im Westen der Republik.

Die hohe starke Prägung des Arbeitsmarktes durch Facharbeiter*innen schlägt sich auch im niedrigen Anteil Beschäftigter ohne abgeschlossene Ausbildung nieder. Nicht einmal jede*r zehnte Beschäftigte im Osten Deutschlands (8 %) verfügt über keine abgeschlossene Ausbildung gegenüber 14 % in Deutschland insgesamt.

Allerdings liegt auch der Anteil Beschäftigter mit einem akademischen Abschluss deutlich unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt. Nur etwa jede*r sechste Beschäftigte verfügt über einen akademischen Abschluss. Im Westen der Republik verfügt dagegen jede*r fünfte Beschäftigte über eine akademische Ausbildung. Einzig Sachsen hebt sich vom allgemeinen ostdeutschen Trend ab – 19 % aller Beschäftigten verfügen mindestens über einen Bachelor-Abschluss.

Hier zeigt sich zum einen die Nachwirkung des beruflichen Bildungssystems der DDR. Nur ein geringer Teil der Absolvent*innen der allgemeinbildenden Schulen nahm im Anschluss ein Studium auf. Die weit überwiegende Zahl der jungen Menschen absolvierte eine Berufsausbildung und nur ein sehr kleiner Anteil verließ das Berufsbildungssystem ohne Abschluss. Darüber hinaus spiegelt die Zusammensetzung auch die wirtschaftliche Struktur der ostdeutschen Bundesländer wider – Betriebe in den neuen Bundesländern sind vielmals noch immer die „verlängerten Werkbänke“ ihrer westdeutscher Mutterkonzerne, in denen beispielsweise der Großteil der Forschung und Entwicklung geleistet wird.

Ein weiterer Unterschied zum westdeutschen Arbeitsmarkt ist die Zahl und der Anteil Beschäftigter mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Nur etwa 6 % der Beschäftigten (250.000 Personen) in Ostdeutschland sind Ausländer*innen. Damit ist ihr Anteil an allen Beschäftigten nicht einmal halb so hoch wie im Westen der Republik (14 %). Dies ist besonders vor dem Hintergrund des anhaltenden demografischen Wandels und des kontinuierlich sinkenden Arbeitskräfteangebots relevant. Auch in Ostdeutschland werden Betriebe zukünftig auf ausländische Beschäftigte angewiesen sein. Schon heute kann in einigen Regionen das Beschäftigungsniveau nur durch die Integration ausländischer Beschäftigter vor allem aus den osteuropäischen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gehalten werden. In anderen Worten: ohne die ausländischen Kolleg*innen könnten einige Betriebe ihren Fachkräftebedarf nicht mehr decken, die Zahl der Beschäftigten würde sinken.

Tabelle 1: Beschäftigungsstruktur in den ostdeutschen Bundesländern (Juni 2020)
GruppeBrandenburgMecklenburg-VorpommernSachsenSachsen-AnhaltThüringenOstdeutschlandWestdeutschlandDeutschland
Vollzeit68%70%68%69%72%69%71%71%
Teilzeit32%30%32%31%28%31%29%29%
Ausländer*innen7%4%6%5%6%6%14%13%
ohne Berufsausbildung9%8%7%8%8%8%14%14%
mit abgeschlossener Berufsausbildung76%77%74%78%78%76%66%67%
mit akademischem Abschluss15%14%19%14%15%16%20%19%
Jüngere (< 25 Jahre)8%8%8%8%8%8%10%10%
Mittleres Alter (25 bis 55 Jahre)67%66%68%66%67%67%69%68%
Ältere (> 55 Jahre)26%26%24%26%25%25%21%22%

Die Beschäftigungsentwicklung in der jüngeren Vergangenheit verlief besonders dynamisch in denjenigen Landkreisen und kreisfreien Städten, die gleichzeitig ein Bevölkerungswachstum verzeichneten. In den ländlichen Regionen abseits der Ballungsräume stieg die Zahl der Beschäftigten dagegen weniger stark.

Beschäftigungsentwicklung und demografische Entwicklung

Der Blick auf die Wachstumsraten Beschäftigtenzahlen in den ostdeutschen Bundesländern erweckt den Eindruck eines weniger dynamischen Arbeitsmarktes verglichen mit den alten Bundesländern. Er ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Das Beschäftigungswachstum fand in den neuen Bundesländern vor dem Hintergrund stagnierender oder weiterhin sinkender Bevölkerungszahlen statt. In allen westdeutschen Bundesländern stieg die Bevölkerungszahl dagegen teils deutlich an. In anderen Worten: der Arbeitsmarkt in Ostdeutschland entwickelte sich in einem weit schwierigeren Umfeld und entgegen des demografischen Trends.

Die unten stehende Karte stellt die Beschäftigungsentwicklung zwischen 2010 und 2020 der demografischen Entwicklung seit 2011 gegenüber. Mit dem Schieberegler kann zwischen den beiden Entwicklungen hin und her gewechselt werden. Es wird deutlich, dass insbesondere diejenigen Landkreise und kreisfreien Städte die Zahl der sv-pflichtig Beschäftigten steigerten, deren Bevölkerung in den vergangenen zehn Jahren ebenfalls anstieg. Umgekehrt verzeichneten Kreise mit schwächeren Bevölkerungsentwicklungen auch niedrigere Wachstumsraten der Beschäftigung.

Allgemein bildet die Karte ein starkes Stadt-Land-Gefälle ab: in städtischen Regionen verliefen die Beschäftigungs- und Bevölkerungsentwicklung dynamischer als in ländlich geprägten Regionen. Besonders profitierten der Süden und Nordwesten Deutschlands sowie die Hauptstadt Berlin und ihr Umland. In den ländlichen Gebieten Ost- und Mitteldeutschlands sowie Westdeutschlands verlief die Entwicklung dagegen weniger positiv. Die Karte macht deutlich, wie eng Bevölkerungs- und Beschäftigungsentwicklung zusammenhängen.

Karte 1: Gegenüberstellung der Beschäftigungsentwicklung (2010 – 2020) und der Bevölkerungsentwicklung (1990 – 2019) auf Kreisebene
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Beschäftigungsentwicklung
(2010 – 2020)
Bevölkerungsentwicklung
(1995 – 2019)

Alle fünf ostdeutschen Bundesländer weisen im Ländervergleich hohe Beschäftigungsquoten auf. Eine der Ursachen ist die hohe Beschäftigungsquote von Frauen, die sich im Gegensatz zu den westdeutschen Bundesländern kaum von jener der Männer unterscheidet.

Beschäftigungsquote

Ein Blick auf die Beschäftigungsquoten verdeutlicht dies. Die Beschäftigungsquote gibt den Anteil der sv-pflichtig Beschäftigten am Wohnort im Verhältnis zur gleichaltrigen Wohnbevölkerung an. Zwar kann die Beschäftigungsquote für verschiedene Alters- und Bevölkerungsgruppen berechnet werden. Eine Unterscheidung zwischen Voll- und Teilzeit findet allerdings nicht statt. Auch finden andere Erwerbstätige (Selbstständige, Beamte, Soldaten etc.) keine Beachtung – die Erwerbstätigenquote liegt daher in der Regel nochmals über der Beschäftigungsquote.

Die untenstehende Karte gibt einen Überblick über die Beschäftigungsquote der 15 bis 65-Jährigen in Deutschland auf Kreisebene zum Stand 30. Juni 2020. Über den Button in der oberen linken Ecke kann zwischen den Geschlechtern hin und her gewechselt werden. Beim Bewegen des Mauszeigers über die Karte wird darüber hinaus die Beschäftigungsquote im jeweiligen Kreis in der oberen rechten Ecke der Karte eingeblendet.

Die Karte zeigt, dass in eine Vielzahl der ostdeutschen Kreise und kreisfreien Städte eine überdurchschnittlich hohe Beschäftigungsquote aufweisen. Vor allem in Sachsen, Thüringen und dem südliche Teil Sachsen-Anhalts geht ein hoher Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung einer sv-pflichtigen Beschäftigung nach.

Im Jahr 2020 lag die Beschäftigungsquote in den fünf ostdeutschen Flächenländern bei 62 %. Sie lag damit leicht über dem deutschen Durchschnitt von 61 %. In Ostdeutschland gehen Männer und Frauen in etwa gleich häufig einer Beschäftigung nach, ihre Beschäftigungsquoten unterscheiden sich nur geringfügig. Dies ist ein Unterschied zum westdeutschen Arbeitsmarkt, dort liegen die Beschäftigungsquoten der Männer in der Regel deutlich über jenen der Frauen.

Die höchsten Beschäftigungsquoten weist in der Regel die Gruppe der 20- bis 50-Jährigen auf. Die niedrigste Beschäftigungsquote findet sich beim jüngsten Teil der erwerbsfähigen Personen (15- bis 20-Jährige), gefolgt vom ältesten Teil (60- bis 65-Jährige). Auch liegt die Beschäftigungsquote ausländischer Bürger*innen niedriger als diejenige der deutschen Bevölkerung.

Karte 2: Beschäftigungsquote auf Kreisebene im Juni 2020 nach Geschlecht
Beschäftigungsquote auf Kreisebene im Juni 2020 nach Geschlecht

In den vergangenen Jahren ist die Beschäftigungsquote infolge der positiven wirtschaftlichen Entwicklung in allen Regionen und beinahe allen Altersgruppen kontinuierlich gestiegen. In Ostdeutschland stieg sie zwischen 2008 und 2020 um gut 12 Prozentpunkte (ggü. + 10 Prozentpunkten in Westdeutschland). Die Entwicklung verlief in den fünf ostdeutschen Flächenländern für beide Geschlechter in etwa gleichermaßen.

Überdurchschnittliche Anstiege gab es in Ostdeutschland insbesondere bei denjenigen Gruppen, die bislang vergleichsweise geringe Beschäftigungsquoten aufwiesen: die Quote der 60- bis 65-Jährigen stieg um gut 28 Prozentpunkte auf 47 %, diejenige der ausländischen Bevölkerung um 25 Prozentpunkte auf inzwischen 42 %.

Rückgänge gab es einzig in der Altersgruppe der 15- bis 20-Jährigen zu beobachten. Dies könnte eventuell die Folge eines sich ändernden Bildungswahlverhaltens sein. Ein steigender Teil der Absolvent*innen der allgemeinbildenden Schulen entscheidet sich für ein Studium und tritt erst damit erst später ins Erwerbsleben ein.

Ausblick

Die digitale Transformation wird den deutschen Arbeitsmarkt nachhaltig verändern. Zwar ist das Risiko flächendeckender Arbeitsplatzverluste gering. Allerdings stehen der Wirtschaft und damit auch den Betrieben mit ihren Beschäftigten tiefgreifende strukturelle Veränderungen bevor. In einigen Branchen werden Arbeitsplätze verlorengehen, in anderen werden wiederum Arbeitsplätze neu geschaffen.

In den ostdeutschen Bundesländern findet dieser Strukturwandel parallel zum fortschreitenden demografischen Wandel statt. Etwa ein Viertel aller heute Beschäftigten wird in den kommenden zehn Jahren das Rentenalter erreichen. Der Ersatzbedarf der Betriebe nach qualifizierten Mitarbeiter*innen ist also hoch. Gleichzeitig stehen die ostdeutschen Betriebe mit ihrer ganz spezifischen Qualifikationsstruktur und der hohen Bedeutung von Facharbeiter*innen vor der Herausforderung, ihre Mitarbeiter*innen umfassend qualifizieren und weiterbilden zu müssen, um auch in Zukunft wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Nach Bewältigung der Corona-Pandemie wird sich darüber hinaus das Beschäftigungswachstum aller Voraussicht nach fortsetzen (Bauer et al., 2021). In den ostdeutschen Bundesländern wird es jedoch zunehmend schwieriger, die daraus erwachsende Nachfrage nach Arbeitskräften zu stillen. Bereits heute kommt es in einigen Regionen und Branchen bereits zu Fachkräfteengpässen, sodass offene Stellen nur schwer besetzt werden können.

Beschäftigungspotenziale liegen vor allem bei älteren Beschäftigten und Beschäftigten ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Dagegen liegt das Beschäftigungsniveau von Frauen im Gegensatz zu den westdeutschen Bundesländern bereits sehr hoch. Eine Ausweitung von Beschäftigungsverhältnissen von Teilzeit- in Vollzeit-Beschäftigungsverhältnisse böte eine Möglichkeit, die jedoch von weiteren, flankierenden Maßnahmen (z. B. zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf) unterstützt werden müssen. Aber auch in der Qualifizierung von Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung liegen noch ungenutzte Potenziale, die zukünftig für die Fachkräftesicherung der Betriebe aktiviert werden können.

Definitionen und Datenquellen

Definition Erwerbstätigkeit und Beschäftigung

„Zu den Erwerbstätigen zählen nach der amtlichen Statistik alle Personen, die als Arbeitnehmer*innen (Arbeiter*innen, Angestellte, Beamt*innen, geringfügig Beschäftigte, Soldat*innen) oder als Selbstständige beziehungsweise als mithelfende Familienangehörige eine auf wirtschaftlichen Erwerb gerichtete Tätigkeit von mindestens einer Stunde in der Woche ausüben. […] Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind alle Arbeitnehmer*innen, die kranken-, renten-, pflegeversicherungspflichtig und/oder beitrags- pflichtig nach dem Recht der Arbeitsförderung sind. Dazu gehören auch Leiharbeitnehmer*innen und befristet Beschäftigte sowie Auszubildende und Altersteilzeitbeschäftigte“ (Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen).

Die Gruppe der sv-pflichtig Beschäftigten bildet somit eine Untergruppe aller Erwerbstätigen. Sie ist jedoch aus zwei Gründen für die Betrachtung des Arbeitsmarktes relevant: zum einen bildet sie mit einem Anteil von etwa zwei Dritteln die weitaus größte Gruppe der Erwerbstätigen, zum anderen finanziert sie zum überwiegenden Teil die sozialen Sicherungssysteme.  Darüber hinaus liegen für die sv-pflichtig Beschäftigten sehr detaillierte Daten unter anderem zu Beschäftigungsumfang, Bildungs- und Berufsabschluss sowie zum Entgelt vor.

 

Datenquellen

Die Daten zur Erwerbstätigkeit stammen aus der Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder. Die Daten zur Zahl und Struktur der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sind den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit entnommen, ebenso jene zur Beschäftigungsquote. Die Daten zur Bevölkerungsentwicklung wurden vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung zur Verfügung gestellt.

Im Jahr 2014 führte die Bundesagentur für Arbeit eine Datenrevision bei den Statistiken der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten durch. Die Beschäftigtenzahlen wurden Basis der aktualisierten Methodik bis einschließlich zum Jahr 1999 zurückgerechnet. Die Zahlen zur sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten vor diesem Zeitpunkt sind nur eingeschränkt mit jenen nach 1999 vergleichbar. Für die Darstellung der langfristigen Entwicklung wurden sie dennoch mit aufgenommen.

Die Berechnung der Anteile der Berufsabschlüsse erfolgte auf Basis der Gesamtzahl aller Beschäftigten, für die der Ausbildungsabschluss bekannt ist. Für etwa 9 % aller Beschäftigten verfügt die BA über keine Information zum Berufsabschluss.

Grundsätzlich wurde für die Darstellung langfristiger Entwicklungen jeweils diejenigen Daten mit dem frühestmöglichen Beginn der Datenreihe verwendet. Aus diesem Grund unterscheiden sich die Untersuchungszeiträume mitunter. Daten zur Beschäftigungsentwicklung auf Kreisebene auf dem Gebietsstand des Jahres 2019 liegen beispielsweise erst ab dem Jahr 2010 vor.  Gleiches gilt für Bevölkerungszahlen auf Kreisebene, die auf dem Gebietsstand des Jahres 2019 nur für das Jahr 1995 vorliegen.

  • Bauer, Anja; Fuchs, Johann; Gartner, Hermann; Hummel, Markus; Hutter, Christian; Wanger, Susanne; Weber, Enzo; Zika, Gerd (2021): IAB-Prognose: Arbeitsmarkt auf dem Weg aus der Krise. IAB-Kurzbericht, 06/2021, Nürnberg.
  • Sinn, Hans-Werner (2003): Ist Deutschland noch zu retten?. ECON-Verlag, München.

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