Arbeitslosigkeit in den ostdeutschen Bundesländern

Entwicklung seit der Wiedervereinigung und Stand heute

von Tim André
 

In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern nachhaltig verringert. Insbesondere der lang anhaltende wirtschaftliche Aufschwung führte zu einer starken Nachfrage nach Arbeitskräften in den Betrieben und zu einem Anstieg der sv-pflichtigen Beschäftigung. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit infolge der Corona-Pandemie war der erste Anstieg seit dem Jahr 2003.

Trotz der positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt liegen die Arbeitslosenquoten in den ostdeutschen Bundesländern noch immer über dem deutschen Durchschnitt. Allerdings konnten einige ostdeutsche Länder im Bundesvergleich aufholen und vereinzelt westdeutsche Bundesländer hinter sich lassen. Insbesondere die an die alten Bundesländer angrenzenden Landkreise und kreisfreien Städte verzeichneten zuletzt historisch niedrige Arbeitslosenquoten.

Die sozio-demografische Struktur der arbeitslosen Personen könnte sich jedoch zu einem Hindernis für den weiteren Beschäftigungsaufbau entwickeln. Im kommenden Jahrzehnt wird etwa ein Viertel aller ostdeutschen sv-pflichtig Beschäftigten in den Ruhestand eintreten. Ein Großteil dieser Beschäftigten wird durch die Betriebe ersetzt werden müssen. Momentan besteht jedoch ein teilweiser Mismatch zwischen betrieblicher Nachfrage und dem vorhandenen Arbeitskräfte-Reservoir.

Nach weitverbreiteter Arbeitslosigkeit im Zuge der Wiedervereinigung konnten auch die neuen Bundesländer in den vergangenen Jahren Rückgänge der Arbeitslosigkeit verzeichnen.

Einleitung

Kaum eine persönliche Erfahrung wirkt sich so negativ auf die physische und psychische Gesundheit aus wie lang anhaltende Arbeitslosigkeit (Kroll, Müters und Lampert 2016). Auch das unmittelbare soziale Umfeld und die Gesellschaft als Ganze spüren die negativen Auswirkungen, die sich aus fehlender Erwerbsarbeit ergeben.

In einer Gesellschaft, der das Phänomen Arbeitslosigkeit über Jahrzehnte beinahe unbekannt war und in der das Recht auf Arbeit ein von der Verfassung verbrieftes Grundrecht darstellte, wurde die Erfahrung von massenhafter Arbeitslosigkeit und Deindustrialisierung als tiefer Einschnitt empfunden.

Erst der langanhaltende wirtschaftliche Aufschwung seit Mitte der 2000er-Jahre bewirkte eine nachhaltige Verringerung der Arbeitslosenzahlen und einen Anstieg der Beschäftigung. Inzwischen haben sich die Arbeitslosenzahlen im Vergleich zur Nachwendezeit halbiert, in einigen Landkreisen der ostdeutschen Bundesländer herrscht beinahe Vollbeschäftigung.

Der vorliegende Beitrag zeichnet die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen und Arbeitslosenquote in den neuen Bundesländern seit der Wiedervereinigung nach. Er beschreibt darüber hinaus die aktuelle sozio-demografische und regionale Struktur der arbeitslosen Personen in Ostdeutschland. Informationen zu den verwendeten Datenquellen und Definitionen finden sich am Ende des Beitrags.

Seit 2003 sank die Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern bis zum Eintritt der Corona-Pandemie kontinuierlich. Im selben Zeitraum kehrte sich auch das Verhältnis von arbeitslosen Frauen zu arbeitslosen Männern um.

Entwicklung der Zahl der arbeitslosen Personen

Abbildung 1 a) zeigt die Entwicklung der Zahl der arbeitslosen Personen nach Geschlecht in den fünf ostdeutschen Ländern im Zeitverlauf. Kurz nach der Wiedervereinigung waren in Ostdeutschland insgesamt 825.000 Personen arbeitslos. Im Vergleich zur Zeit vor der Wende war dies eine enorme Zahl, kannte die DDR das Phänomen Arbeitslosigkeit doch offiziell nicht. In den Folgejahren stieg die Arbeitslosigkeit bis auf wenige Ausnahmen kontinuierlich und erreichte im Jahr 2003 mit gut 1,3 Mio. Arbeitslosen ihren Höhepunkt. Im Vergleich zum Jahr 1991 bedeutete dies einen Anstieg um ein weiteres Drittel.

Bis zum Jahr 2005 verharrte die Arbeitslosigkeit auf hohem Niveau. Infolge der sogenannten Hartz-Reformen und dem einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung reduzierte sich die Zahl der Arbeitslosen im Anschluss jedoch in hohem Maße (Klinger, Rothe und Weber 2013). Selbst in den Jahren der Finanz- und Eurokrise setzte sich der Rückgang fort. Erst die weltweite Corona-Pandemie sorgte für ein Ansteigen der Arbeitslosenzahlen – die erste Erhöhung seit dem Jahr 2003.

Im Jahresdurchschnitt des Jahres 2020 waren in den ostdeutschen Bundesländern insgesamt 428.000 Personen arbeitslos. Im Vergleich zum Jahr 1991 hatte sich die Arbeitslosenzahl somit nahezu halbiert (– 48 %). Die stärksten Rückgänge gab es in Thüringen (– 55 %) und Mecklenburg-Vorpommern (– 50 %) aber auch die anderen ostdeutschen Bundesländer standen dieser Verringerung kaum nach.

Die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen nach Geschlecht verdient einen genaueren Blick. In Abbildung 1 b) wird deutlich, dass zu Beginn des Betrachtungszeitraums deutlich mehr Frauen arbeitslos waren als Männer: knapp 400.000 männlichen Arbeitslosen standen knapp 700.000 arbeitslose Frauen gegenüber. Das Verhältnis von arbeitslosen Frauen zu arbeitslosen Männern lag im Jahr 1991 bei etwa 1,4 und stieg bis zum Jahr 1994 auf 1,9 an – es waren also beinahe doppelt so viele Frauen arbeitslos wie Männer. In der Folge kehrte sich das Verhältnis jedoch um. Im Jahr 2002 waren erstmals weniger Frauen arbeitslos als Männer. In den Folgejahren sank das Verhältnis beinahe kontinuierlich. Inzwischen liegt es bei 0,74 und entspricht damit etwa dem Kehrwert des Verhältnisses zu Anfang der 1990er-Jahre.

Auch der Anteil arbeitsloser Personen in den ostdeutschen Ländern gemessen an allen Arbeitslosen verringerte sich. Im Jahr 1991 kam noch etwa jede dritte arbeitslose Person aus einem der fünf ostdeutschen Flächenländer. Im Jahr 2020 hatte sich dieser Anteil auf 16 % halbiert. Inzwischen entspricht er in etwa dem Bevölkerungsanteil der ostdeutschen Bundesländer (15 %), nachdem diese über viele Jahre überdurchschnittlich stark vertreten waren (1991: 32 % aller Arbeitslosen bei 18 % Bevölkerungsanteil).

Abbildung 1: Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den ostdeutschen Bundesländern

Im Bundesvergleich verringerten die ostdeutschen Bundesländer ihre Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich stark. Der Rückgang war doppelt so groß wie im Mittel der westdeutschen Bundesländer.

Entwicklung der Arbeitslosenquote

Der Rückgang der Arbeitslosenzahlen ging einher mit einer Verringerung der Arbeitslosenquote. Im Jahr 1994 lag die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland (einschließlich Berlin) bei 14,8 %. Etwa jede siebte erwerbsfähige Person in Ostdeutschland hatte Anfang der 1990er-Jahre keine Arbeit. Bis zum Jahr 2003 stieg parallel zur Zahl der Arbeitslosen auch die Arbeitslosenquote. Sie erreichte mit etwa 18 % in den Jahren 2003 bis 2005 ihren Höhepunkt. In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt waren zu dieser Zeit mehr als ein Fünftel der erwerbsfähigen Personen ohne Arbeit.

Seitdem hat sich die Arbeitslosenquote drastisch verringert. Im Jahr 2016 verzeichneten erstmals alle fünf ostdeutschen Flächenländer einstellige Arbeitslosenquoten. Im Jahr 2020 lag die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland noch bei 7,3 %.

Abbildung 2 a) verdeutlicht diesen Rückgang. Sie zeigt die Veränderung der Arbeitslosenquoten in den Bundesländern zwischen 1994 und 2020. Mitte der 1990er-Jahre lag die Arbeitslosenquote in den fünf ostdeutschen Bundesländern deutlich oberhalb jener in den westdeutschen Bundesländern. Zwischen Brandenburg (14,5 %), dem ostdeutschen Bundesland mit der niedrigsten Arbeitslosenquote, und Bremen (12,7 %), dem westdeutschen Bundesland mit der höchsten, betrug die Differenz noch immer knapp zwei Prozentpunkte. Die Abbildung verdeutlicht allerdings auch, dass die Arbeitslosenquoten im Ostdeutschland besonders stark zurückgegangen sind. Im Mittel betrug der Rückgang 8,8 Prozentpunkte und war damit doppelt so hoch wie im Saarland (4,0 Prozentpunkte), dem westdeutschen Bundesland mit der stärksten Verringerung.

Auch heute liegt die Arbeitslosenquote in den neuen Ländern noch über jener im Westen der Republik. Allerdings hat sich der Abstand deutlich verringert. Im Jahr 1994 lagen zwischen den Arbeitslosenquoten in Ost und West 6,7 Prozentpunkte (14,8 % in Ostdeutschland ggü. 8,1 % im Westdeutschland). Im Jahr 2020 lag diese Differenz noch bei 1,7 Prozentpunkten (7,3 % in Ostdeutschland gegenüber 5,6 % in Westdeutschland). Im bundesdeutschen Vergleich konnten einige ostdeutsche Bundesländer bereits Bundesländer aus dem Westen der Republik überholen (vgl. Abbildung 2b))

Abbildung 2: Entwicklung der Arbeitslosenquote

Eine abgeschlossene Berufsausbildung bietet noch immer den besten Schutz vor Arbeitslosigkeit. Personen ohne Berufabschluss haben eine vielfach höhere Arbeitslosenquote als jene mit abgeschlossener Berufsausbildung.

Struktur aktuell

Auch wenn sich die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern in den vergangenen 15 Jahren stark reduziert hat, gibt es noch immer große Unterschiede zwischen verschiedenen Arbeitsmarktgruppen und Regionen. Dies betrifft sowohl die Zahl der arbeitslosen Personen insgesamt als auch ihre Arbeitslosenquote.

Während Jugendliche (< 20 Jahre) eine niedrigere Arbeitslosenquote aufweisen als die Bevölkerung insgesamt, liegt sie bei den Jüngeren (< 25 Jahre) leicht oberhalb jener der Gesamtbevölkerung. Allerdings macht die Gruppe der Jugendlichen nur 2 % aller Arbeitslosen aus. Ein Großteil der Bevölkerung unter 20 Jahre befindet sich in der Regel noch in Ausbildung und geht damit nicht in die Arbeitslosenstatistik ein. Bei den Jüngeren resultiert die höhere Arbeitslosenquote vorwiegend aus vorübergehender Arbeitslosigkeit beim Übergang von der Ausbildung in den Beruf. Auch wirkte sich die Corona-Pandemie stärker auf jüngere Beschäftigte aus als auf ihre älteren Kolleg*innen (z. B. durch das Auslaufen befristeter Verträge), sodass ihre Arbeitslosenquote stärker anstieg.

Die Arbeitslosenquote von älteren Personen (< 50 Jahre) liegt mittlerweile unterhalb jener der Gesamtbevölkerung. Im Jahresdurchschnitt 2020 lag sie bei 6,3 %. Im Vergleich zum Beginn der Zeitreihe im Jahr 2008 hat sie sich um mehr als 8 Prozentpunkte verringert. Damals lag sie überdies noch oberhalb der Arbeitslosenquote der gesamten Bevölkerung. Der demografische Wandel spiegelt sich auch im Anteil der arbeitslosen Älteren an allen Arbeitslosen wider: zur Jahrtausendwende waren 32 % aller Arbeitslosen über 50 Jahre alt, inzwischen sind es 37 %. Allerdings sinkt ihre absolute Zahl seit 2002 fast durchgehend und auch ihr Anteil verringerte sich seit 2014 (40 %).

Die Arbeitslosenquote von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft liegt deutlich oberhalb jener der Gesamtbevölkerung. Im Jahr 2020 lag sie in den ostdeutschen Bundesländern im Mittel bei 20,7 %. Allerdings bedeutete dies einen Rückgang um etwa die Hälfte im Vergleich zum Jahr 2005. Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft gelingt der Zugang zum Arbeitsmarkt immer besser. Der Rückgang der Arbeitslosenquote ging einher mit einem deutlichen Anstieg der sv-pflichtigen Beschäftigung.

Besonders deutliche Unterschiede finden sich bei den Arbeitslosenquoten nach Berufsabschluss. Eine abgeschlossene Berufsausbildung bildet den besten Schutz vor Arbeitslosigkeit. Im Jahresdurchschnitt des Jahres 2020 lag die Arbeitslosenquote bei Personen mit einem betrieblichen oder berufsschulischen Abschluss bei 5,2 %, bei Personen mit einem akademischen Abschluss sogar nur bei 3,4 %. Dagegen lag die Quote bei jenen Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung bei 31,0 %. In einigen Regionen Ostdeutschlands waren vier von zehn Personen ohne Berufsabschluss arbeitslos. Diese Gruppe war darüber hinaus am stärksten von den Folgen der Corona-Pandemie getroffen – ihre Arbeitslosenquote stieg überproportional im Vergleich zu jener der Personen mit Berufsabschluss.

Abbildung 3 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Berufsabschluss und Arbeitslosenquote noch einmal. Es wird deutlich, dass Personen ohne Berufsabschluss in der gesamten Bundesrepublik deutlich häufiger von Arbeitslosigkeit betroffenen sind als jene mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Gleichzeitig wird sichtbar, dass die Arbeitslosenquoten für Personen ohne Berufsabschluss in den neuen Bundesländern durchschnittlich höher liegen als in den alten Bundesländern. Ausnahmen bilden Landkreise südlich von Berlin, in denen die Arbeitslosenquote für Personen ohne Berufsabschluss niedriger ist als im Rest des Landesteils sowie Teile des Ruhrgebietes, in denen Personen ohne Berufsabschluss stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind als im westdeutschen Durchschnitt.

Abbildung 3: Arbeitslosenquoten im Jahresdurchschnitt 2020 nach Qualifikationsniveau
Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 2020 nach Qualifikationsniveau

Noch immer ist Arbeitslosigkeit regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. Das ehemalige West-Ost-Gefälle weicht allerdings zunehmend einem Nord-Süd-Gefälle.

Von den etwa 428.000 arbeitslosen Personen des Jahres 2020 verfügte ein gutes Drittel (37 %) nicht über einen Berufsabschluss. Mehr als die Hälfte (56 %) hatte eine betriebliche oder schulische Berufsausbildung und nur 7 % besaßen einen akademischen Berufsabschluss. Auch bei den angestrebten Zielberufen wird der Überhang von Personen ohne Berufsabschluss deutlich. Gut die Hälfte aller arbeitslosen Personen strebte eine Stelle auf Helfer-Niveau an, d. h. eine Stelle, für die eine Ausbildung von einem Jahr oder weniger notwendig ist. Ein gutes Drittel (37 %) sucht eine Fachkraft-Stelle und nur jede zehnte arbeitslose Person hatte eine Spezialisten- oder Experten-Stelle als Ziel.

Hier zeichnet sich zumindest in Teilen des Arbeitsmarktes ein Mismatch zwischen Arbeitskräfte-Angebot und Arbeitskräfte-Nachfrage ab: etwa drei Viertel aller sv-pflichtig Beschäftigten in den neuen Bundesländern besitzen einen betrieblichen oder schulischen Berufsabschluss. Auch für die ostdeutschen Betriebe stellt dieser Abschluss in der Regel die Voraussetzung für eine Einstellung dar – gut vier Fünftel aller Arbeitsplätze erfordern einen Berufsabschluss (Frei, Kriwoluzky und Putzing 2020). Langfristig besteht an dieser Stelle somit die Herausforderung, das bestehende Angebot an Arbeitskräften der Arbeitskräfte-Nachfrage anzupassen.

Abbildung 4 verdeutlicht die regional sehr unterschiedliche Verteilung der Arbeitslosigkeit. Zum einen wird deutlich, dass es keine strukturellen regionalen Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. In anderen Worten: zwar liegt die Arbeitslosenquote von Frauen im Mittel leicht unter jener der Männer, doch sind beide Geschlechter in den jeweiligen Regionen etwa gleich stark von Arbeitslosigkeit betroffen. Zum anderen zeigt sich, dass sich das frühere Ost-West-Gefälle allmählich zu einem Nord-Süd-Gefälle entwickelt. Weite Teile Bayerns und Baden-Württembergs weisen sehr niedrige Arbeitslosenquoten von unter 4 % auf. Gleiches gilt jedoch für grenznahe Landkreise insbesondere in Sachsen und Thüringen. Hohe Arbeitslosenquoten finden sich dagegen nicht nur in ländlichen Regionen Ostdeutschlands (in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt), sondern auch in urbanen Regionen im Westen der Republik (Ruhrgebiet, Saarland).

Für die Entwicklung der Arbeitslosigkeit gilt somit, was auch für die demografische Entwicklung und die Beschäftigungsentwicklung beobachtet werden kann: insbesondere in den wirtschaftlich dynamischen Landkreisen und kreisfreien Städte ist die Arbeitslosigkeit gering. In wirtschaftlich weniger dynamischen Regionen und Regionen, die sich in der Vergangenheit bereits starken strukturellen Veränderungen ausgesetzt sahen, verharren die Arbeitslosenquoten dagegen auf relativ hohem Niveau.

Abbildung 4: Arbeitslosenquoten im Jahresdurchschnitt 2020 nach Geschlecht
Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 2020 nach Geschlecht

Auch in Zukunft werden Beschäftigte mit betrieblicher oder schulischer Berufsausbildung vorhersehbar den Großteil aller Beschäftigten ausmachen. Es bedarf daher einer kontinuierlichen Weiterqualifizierung dieser Beschäftigten aber vor allem auch einer Qualifizierung derjenigen Personen, die bislang keine abgeschlossene Berufsausbildung besitzen.

Ausblick

Nach Ende der Corona-Pandemie wird sich der Beschäftigungsaufbau auch in den neuen Bundesländern voraussichtlich weiter fortsetzen. Gleichzeitig schreitet auch der demografische Wandel weiter voran. Bereits heute hat etwa ein Viertel aller sv-pflichtig Beschäftigten in den Betrieben das 55. Lebensjahr überschritten und wird im kommenden Jahrzehnt aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Die Arbeitskräfte-Nachfrage wird damit sowohl durch den Ersatzbedarf der Betriebe bestimmt als auch durch jenen Bedarf, der sich aus der Ausweitung der wirtschaftlichen Tätigkeit ergibt. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter. Für die von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen sind dies zunächst gute Nachrichten.

Allerdings zeichnet sich zumindest in Teilen des Arbeitsmarktes ein Mismatch zwischen den von den Betrieben nachgefragten Arbeitskräften und dem Arbeitskräfte-Reservoir ab. Auch in Zukunft wird eine abgeschlossene Berufsausbildung vielmals der Grundstein für eine sv-pflichtige Beschäftigung bilden. Infolge des digitalen Wandels steigt gleichzeitig die Notwendigkeit, bestehendes Fachwissen und vorhandene Kompetenzen aktuell zu halten, an die sich wandelnden Bedingungen anzupassen und kontinuierlich auszubauen.

Arbeitslose Personen stehen damit noch stärker vor der Herausforderung, die Zeiten der Arbeitslosigkeit möglichst kurz zu halten und schnellstmöglich eine neue Beschäftigung zu finden, damit vorhandenes Wissen nicht veraltet. Personen ohne nachgefragte Qualifikation müssen durch Nachholen eines Berufsabschlusses oder durch kontinuierliche Weiterqualifizierung in die Lage versetzt werden, nachhaltigen Zugang zum Arbeitsmarkt zu erhalten. Parallel stehen die Betriebe in der Verantwortung, die Beschäftigungsfähigkeit ihrer Beschäftigten zu erhalten, um Arbeitslosigkeit von vorherein entgegenzuwirken. 

Definitionen und Datenquellen

Definitionen

Nicht alle Personen ohne bezahlte Erwerbsarbeit sind arbeitslos. Zum Beispiel gelten Rentner*innen, Schüler*innen und Studierende oder Eltern, die sich um die Erziehung ihrer Kinder kümmern, nicht als arbeitslos.

Die Bundesagentur für Arbeit spricht in Bezug auf Resolutionen der Internationalen Arbeitsorganisation, den Verordnungen der Europäischen Union und dem Sozialgesetzbuch (SGB) von drei Kriterien, „die Arbeitslose erfüllen müssen: sie müssen ohne Arbeit sein, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und Arbeit suchen.“

Weiter heißt es:

„Die Arbeitslosigkeit ist im Sozialgesetzbuch (SGB) definiert ist. Dort heißt es im § 16 Absatz 1 SGB III:

Arbeitslose sind Personen, die wie beim Anspruch auf Arbeitslosengeld

  • vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen,
  • eine versicherungspflichtige Beschäftigung suchen und dabei den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen und
  • sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben.

Im Abs. 2 heißt es dann außerdem: Teilnehmer an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik gelten als nicht arbeitslos“ (Bundesagentur für Arbeit 2021).

Weitere Informationen insbesondere zur Abgrenzung von Unterbeschäftigung im engeren und weiteren Sinne finden sich auf der Website der Bundesagentur für Arbeit.

Bezogen auf den Arbeitsmarkt liegt Vollbeschäftigung dann vor, „wenn alle für eine Beschäftigung geeigneten Personen, die Beschäftigung zum herrschenden Lohnsatz suchen, diese ohne längere Wartezeiten finden können. Unter Berücksichtigung nicht-konjunktureller Arbeitslosigkeit kann deshalb auch schon ein Wert unter 100 Prozent als Vollbeschäftigung angesehen werden“ (Weber, Henneberger und Keller 2019).

Datenquellen

Sämtliche verwendeten Datenquellen stammen aus dem Bestand der Bundesagentur für Arbeit. In der Regel beziehen sich Angaben für Ostdeutschland auf die fünf Flächenländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. In einigen Ausnahmefällen lagen Daten nur für Ostdeutschland einschließlich Berlin vor. Sie sind im Text gesondert kenntlich gemacht.

Im gesamten Text wird auf die Arbeitslosenquote bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen Bezug genommen. In einigen Fällen reichen die Zeitreihen der Arbeitslosenquote bezogen auf alle abhängigen Erwerbspersonen weiter in die Vergangenheit zurück. In der öffentlichen Kommunikation wird jedoch fast ausschließlich erstere verwendet, sodass diese auch hier die Grundlage für die Analysen bildet.

In einigen Fällen wird auf durchschnittliche Arbeitslosenquoten der ostdeutschen Bundesländer verwiesen. Dabei handelt es sich in der Regel um ungewichtete Durchschnitte, d. h. um Durchschnitte, die die jeweiligen Bevölkerungszahlen nicht berücksichtigen. Dies gilt es bei der Interpretation zu beachten.

Die Darstellung in den Karten auf Landkreisebene ist jeweils so gewählt, dass in etwa gleichmäßig viele Landkreise in jede der neun Gruppen eingeordnet sind (~ 45 Landkreise und kreisfreie Städte pro Gruppe). Aufgrund der Gesamtzahl der Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland (n = 401) befinden sich in einigen Gruppen mehr Landkreise als im Rest.

Referenzen und Literatur

  • Bundesagentur für Arbeit. 2021. Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Grundlagen: Definitionen – Glossar der Statistik der BA. Nürnberg.
  • Frei, Marek, Silke Kriwoluzky und Monika Putzing. 2020. IAB-Betriebspanel Ostdeutschland. Ergebnisse der 24. Befragungswelle 2019. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Berlin: SÖSTRA.
  • Klinger, Sabine, Thomas Rothe und Enzo Weber. 2013. „Makroökonomische Perspektive auf die Hartz-Reformen: Die Vorteile überwiegen“. IAB-Kurzbericht 2013 (11).
  • Kroll, Lars Eric, Stephan Müters und Thomas Lampert. 2016. „Arbeitslosigkeit und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit. Ein Überblick zum Forschungsstand und zu aktuellen Daten der Studien GEDA 2010 und GEDA 2012“. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz volume 59:228–237.
  • Weber, Jürgen, Fred Henneberger und Berndt Keller. 2019. „Vollbeschäftigung“. In Gabler Wirtschaftslexikon, 19. Auflage. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

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